Kurz vor der Bundestagswahl sprechen unsere beiden Kandidaten für den Deutschen Bundestag, Axel Echeverria und Timo Schisanwoski, über ihre politischen Herzensthemen. In diesem Artikel macht Axel Echeverria deutlich, wie wichtig Kommunalfinanzen für unser tägliches Leben in den Städten sind und wie Gerechtigkeit bereits vor der Haustür anfangen müsste.
Bei all meinen Besuchen in den letzten Monaten, ob in Vereinen, Firmen oder sozialen Einrichtungen im Ennepe-Ruhr-Kreis, lief immer wieder alles auf ein Thema hinaus: Kommunalfinanzen. Alles hängt von einer guten finanziellen Aufstellung vor Ort ab. Da mir das Thema sehr am Herzen liegt, habe ich mich in den letzten Monaten und Wochen verstärkt bei lokalen Akteuren im und außerhalb des EN-Kreises über die aktuelle Situation informiert.
Unsere Kommunen sind die Orte, an dem sich entscheidet, ob alle Kinder frühkindliche Förderung bekommen, ob Menschen unterschiedlicher Kulturen mit- oder nebeneinander her leben, ob Jugendliche ihre Freizeit sinnvoll gestalten, ob ältere Menschen integriert bleiben oder ob man sich im öffentlichen Raum sicher fühlt. Nur finanziell handlungsfähige Kommunen können die Aufgaben der Zukunft erfüllen und eine gute soziale und kulturelle Infrastruktur mit Schulen, Schwimmbädern, Bibliotheken und weiteren Einrichtungen bereitstellen.
Wer so wie ich in einer Stadt aufgewachsen ist, die von Anfang an im Stärkungspakt war und gefühlt seit einer Ewigkeit an allen Ecken und Enden spart, der weiß, wie wichtig finanzielle Selbstbestimmung vor Ort ist. Die im Ruhrgebiet oft durch eine Mischung aus Altschulden aus dem Strukturwandel und geringen Einnahmen belasteten Kommunen haben es nicht leicht, wenn es ums Thema Geld geht. Ob Hattingens Kämmerer Frank Mielke, Wetters Bürgermeister Frank Hasenberg oder Oberbürgermeister Marc Herter aus Hamm, mit allen dreien habe ich mich in den letzten Wochen über das Thema Kommunalfinanzen unterhalten. Wir alle waren uns in einem Punkt besonders einig: Ein Altschuldenschnitt und eine Neuregelung der kommunalen Haushalte zur nachhaltigen Entlastung und Revitalisierung sind unabdingbar.
Die wichtigsten Einnahmen der Kommunen sind die Gewerbe- und Grundsteuer. Bei meinem letzten Gespräch mit Wetters Bürgermeister Frank Hasenberg haben wir uns auch über die Möglichkeiten der Ansiedlung neuer Gewerbegebiete hier im Kreis unterhalten. Ergebnis: Es gibt kaum noch Chancen, da keine nutzbaren Flächen mehr vorhanden sind. Damit werden zusätzliche Einnahmen durch die Gewerbesteuer nur schwer möglich sein. Hier braucht es bessere Regelungen für die bereits vorhandenen Steuerzahler, die gerecht besteuern und gleichzeitig niemanden durch horrende Abgaben davonjagen.
Die zweite Möglichkeit, kommunale Einnahmen zu generieren, ist der Anteil an der Einkommenssteuer, die sich unter anderem an der Einwohnerzahl bemisst. Stabile und sichere Einnahmen der Kommunen erhält man nur mit einem höheren Steueraufkommen und einem gerechteren Steuersystem. Die schlechter gestellten Kommunen sind hier leider im Nachteil. Menschen, die Leistungen nach dem SGB II zur Unterstützung erhalten, bekommen auch Gelder für die Kosten der Unterkunft. Die Kosten für die Wohnung werden zum Teil von den Kommunen bezahlt. Je ärmer also die Bevölkerung einer Stadt ist, desto höher sind die Kosten, die sie in den Sozialhaushalten zu tragen hat.Hattingens Kämmerer Frank Mielke berichtete mir zudem, dass die Kosten, beispielsweise im Bereich der Kinder- und Jugendbildung, mittlerweile aus allen Nähten platzen. Immer neue Aufgaben im Bereich der Erziehung und Bildung fallen Kindergarten, Schule und Co. zu. Der vor Jahrzehnten beschlossene Personalschlüssel reicht vorne und hinten nicht mehr. Auch hier braucht es neue Regelungen.
Natürlich ist nicht jede Veränderung vor Ort an das eigene Budget gebunden. Es gibt Dutzende von Land und Bund finanzierte Förderprogramme für Kommunen. Das klingt erst einmal gut. Problem ist nur, dass der oft notwendige Eigenanteil von fünf oder zehn Prozent der Kosten für manche Kommunen bereits nicht stemmbar ist. Verstärkt wird diese Problematik noch durch den enormen Wettbewerb der Städte und Kommunen untereinander. Ob Tablets für den Schulgebrauch, Naturschutzprojekte oder Straßenbau, bei neuen Programmen und Ausschreibungen gilt: Die Kommune mit dem dicksten Sparschwein kriegt den Zuschlag. Schnell sind alle relevanten Dienstleister ausgebucht oder die Preise für Güter und Geräte schießen durch den neuen Bedarf schlagartig in die Höhe. Kommunen mit Sparzwang schauen somit erneut dumm aus der Wäsche. Sinnvoller wäre es, wenn sie nicht dauernd mit immer neuen Programmen überhäuft werden würden, sondern von Bund und Land finanziell so ausgestattet würden, dass vor Ort selbst gezielt und direkt investiert werden kann.
„Man spart sich nicht aus Krisen, sondern man investiert sich aus ihnen heraus!“. So drückt es Hamms Oberbürgermeister Marc Herter gerne aus und dem kann ich nur zustimmen. Finanzielle Flexibilität ermöglicht erst die Reaktion auf soziale und gesellschaftliche Veränderungen vor Ort. Sie ist notwendig, um weitere Schuldenfallen zu umgehen, plötzlichen Krisen schnell entgegenzutreten und die Kommune schon so früh wie möglich bestens aufzustellen. Nur wer im Hier und Jetzt die Hindernisse und kommenden Herausforderungen angeht, kann seine Kommune sicher durch jede Krise führen. Sie dazu gesetzlich und finanziell zu ermächtigen ist auch Aufgabe des Bundes. Politiker zu entsenden, die sich genau dafür einsetzen ist Ihre Aufgabe als Wählerinnen und Wähler.
Meine konkreten Vorschläge für die Stabilisierung der Kommunalfinanzen für den Bund:
- Eine „Stunde Null“ bzw. einen Schuldenschnitt für die Altschulden unserer Städte und Gemeinden.
- Eine strikte Einhaltung des Konnexitätsprinzips durch Bund und Land.
- Eine Neuregelung der Kommunalfinanzierung, um ähnliche Lebensverhältnisse in ganz Deutschland zu ermöglichen.
- Ein Investitionsprogramm für besonders hilfsbedürftige Kommunen.
- Höhere Einnahmen mithilfe eines gerechten Steuersystems, durch
- die Einführung einer Vermögenssteuer.
- die Überprüfung der Erbschaftssteuer.
- die Einführung einer Finanztransaktionssteuer.
- die Bekämpfung von Steuerbetrug.